BERGMANN-MICHEL, ELLA
BERGMANN-MICHEL, ELLA
1895
1971
Biografie

 

1895 
Am 20. Oktober wird Ella als einziges Kind von Wilhelm Bergmann und seiner Frau Martha , geb. Alberts in Paderborn geboren. Der Vater ist Inhaber einer Medizinal-Drogerie mit Foto-Abteilung. 

1898 
Tod der Mutter. Der Vater wird später wieder heiraten. 
Ella Bergmann besucht in Paderborn die Höhere Töchterschule und erhält auch Unterricht in Malerei, Fotografie und Musik. 

1915–1918
Zum Kunststudium geht sie nach Weimar. Anfangs besucht sie eine Zeichenschule, später studiert sie Malerei an der “Großherzoglichen Hochschule für Bildende Kunst“, die Henry van de Velde mit seinen Reformen zu einer der fortschrittlichen Kunstschulen in Deutschland gemacht hat. Sie besucht die Zeichenklasse bei Walter Klemm, dort begegnet sie Robert Michel. 

1917 
Sie arbeitet überwiegend im eigenen Atelier. Es entstehen – noch vor den ersten Materialbildern von Kurt Schwitters – Materialcollagen, die Ella Bergmann als Pionierin der Collage auszeichnet; mal sind es Themen aus der Botanik, aus der Tierwelt und oft Zeitereignisse, die sie darin verarbeitet. 

1918 
Nach Auseinandersetzungen mit dem Direktor Fritz Mackensen und dem Lehrkörper verlassen Ella Bergmann und Robert Michel die Schule und sind freischaffend tätig, es entstehen auch gemeinsame Arbeiten. 

1919 
In der Ausstellung zur Eröffnung des Bauhauses in Weimar werden Arbeiten von Ella Bergmann, Robert Michel, Johannes Molzahn und Karl Peter Röhl gezeigt, einer der experimentierfreudigsten Künstlergruppen vor der Bauhausgründung. Ella Bergmann-Michel knüpft wohl Kontakte mit den Bauhäuslern, nimmt aber nicht am Lehrbetrieb teil. 

Am 7. Oktober heirateten Ella Bergmann und Robert Michel. 

1920 
Am 14. August wird der Sohn Hans (1920-1996) geboren.

Sie ziehen im Oktober nach Eppstein-Vockenhausen in die sogenannte “Schmelz“, eine ehemalige Farbenmühle (Michel & Morrell Schwarzfarben), die Robert Michel als Erbe erhalten hat. Bis zum Lebensende wird sie  Arbeits- und Wohnort bleiben und in den kommenden Jahren zum Treffpunkt von Avantgarde-Künstlern werden; Robert Michel spricht von ihr später als “Heimatmuseum of Modern Art Schmelz“. 

1921 
Bekanntschaft mit Kurt Schwitters. Persönliche Kontakte zu Max Wertheimer, dem Mitbegründer der Gestalttherapie. Es entstehen Tuschezeichnungen mit geometrisch-strukturierten Körpern. 

1923 
Die “Prismenbilder“ sind Ausdruck ihrer Auseinandersetzung mit Farbe und Licht, in Beziehung gesetzt zu Fläche und Raum. In den künstlerischen Erkundungen zum Wesen und zu den Gesetzmäßigkeiten der Natur verarbeitet sie biologische, chemische und physikalische Studien. 

1925 
Kurt Schwitters besucht regelmäßig – auch mit seiner Familie – die “Schmelz“. Hierher kommen auch László Moholy-Nagy, Willi Baumeister, Jan Tschichold und Adolf Meyer. 

1926 
Ella Bergmann-Michel wird Mitglied im neu gegründeten “Bund Das Neue Frankfurt“, einer sozial engagierten und künstlerisch ambitionierten Reformbewegung um den Stadtbaurat Ernst May. Für den Bund übernimmt sie fotografische Auftragsarbeiten. Sie arbeitet mit einer der ersten Leica-Kameras.

1927 
Ihre Tochter Ella, genannt Putzi, wird am 24 Januar geboren.

Verstärkte Beschäftigung mit der Fotografie.
In der Werkbundausstellung in der Weißenhof-Siedlung sind ihre Bilder im Mart Stam Haus zu sehen.

Im September reist sie mit Robert Michel und Kurt Schwitters nach Holland, um Gerrit Rietveld, Piet Mondrian,
Jacobus J.P. Oud, Mart Stam und Hannah Höch zu besuchen.

Schwitters vermittelt den Kontakt zu Katherine S. Dreier (1877-1952), der amerikanischen Malerin, Kunstförderin und Initiatorin der 1920 in New York gegründeten “Société Anonyme – Museum of Modern Art: 1920“, der Marcel Duchamp und Man Ray auch angehören. Dreier präsentiert hier Beispiele der modernen Kunst aus Europa, inklusive der Arbeiten von Ella Bergmann-Michel und Robert Michel, die nun erstmals mit Arbeiten in den USA in der Wanderausstellung der “Société Anonyme“ vertreten sind. 

1928 
Reisen in die Schweiz und nach Frankreich.

Die lettische Regisseurin Asja Lacis (1891-1979), die in Berlin als sowjetische Kulturvermittlerin tätig ist, verbringt eine Ruhezeit in der “Schmelz“. Durch sie entstehen die Kontakte zu den Filmemachern, dem Holländer Joris Ivens und dem Russen Dziga Vertov, die eine Auseinandersetzung mit dem russischen Film und dem Dokumentarfilm auslösen. 

1929
Eigenes Atelier in Frankfurt/Main am Eschenheimer Tor. Sie macht fotografische Studien zu Licht und Bewegung, Fotoserien zu Leben und Arbeit im öffentlichen Raum, Werbegraphik und Reklame-Fotografie, sowie Fotostudien zu geplanten Filmprojekten.

Im “Bund Das Neue Frankfurt“ befreundet sie sich mit der Kunststudentin Marta Hoepffner (1912-2001), die 1934 ihre “Werkstätte für künstlerische Fotoaufnahmen“ eröffnet.

1930 
Mit Paul Seligmann arbeitet sie im Bund in der “Arbeitsgemeinschaft für modernen Film“ zusammen, die verbunden ist mit der überregionalen “Liga für den unabhängigen Dokumentarfilm“: Hier werden beispielsweise Filme von Joris Ivens, Dziga Vertov, Wilfried Basse, Germaine Dulac und Roberto Cavalcanti gezeigt.

Der Architekt Mart Stam regt sie an, einen Film über sein, nach neuesten Erkenntnissen gebautes Altenheim, zu drehen. Dabei lernt sie Ilse Bing (1899-1998) kennen, die den Bauprozeß fotografisch dokumentiert hatte; es entwickelt sich eine lebenslange Freundschaft. 

1931 
Ella Bergmann-Michel (Kamera, Schnitt, Regie) stellt mit einer geliehenen Handkurbel-Kamera den Dokumentarfilm “Wo wohnen alte Leute?“ über das neu errichtete Altenheim von Stam/Moser/Kramer fertig.

Auf Anregung von Joris Ivens erwirbt Ella Bergmann-Michel eine Handkamera und zwar die gebrauchte Kinamo 35mm Nummer 25, die zuvor Clärenore Stinnes auf ihrer Weltreise 1927 mit dem Adler Standard Automobil benutzt hatte. 

1932 
Am 15. Januar Uraufführung des Films “Wo wohnen alte Leute“ in einer Matinée in der Kurbel in Frankfurt/Main und am 31. Januar Vorführung im Alhambra in Berlin, zusammen mit dem Film “Die neue Wohnung“ von Hans Richter und “Abruch und Aufbau“ von Wilfried Basse.

Im Frühjahr dreht sie den Film für die Frankfurter Erwerbslosen-Küchen “Erwerbslose kochen für Erwerbslose“. Im Vorprogramm wird er in den Frankfurter Kinos als Werbung zur finanziellen Unterstützung eingesetzt und bei organisierten Freiluftaufführungen werden Geld- und Lebensmittelspenden auch direkt gesammelt.

Thema in ihrem dritten Film “Fliegende Händler“ sind die arbeitslosen Straßenhändler, die unerlaubt auf Plätzen und an Ecken ihre Waren anbieten; er belegt besonders deutlich ihre freie Aufnahmetechnik mit den experimentellen Licht- und Bewegungsstudien. Ebenso wie der anschließend gedrehte Film “Fischfang in der Rhön“ kann er wegen der zugespitzten politischen Verhältnisse nicht mehr öffentlich gezeigt werden. 

1933 
Ihre letzte Filmarbeit, noch 1932 begonnen, kann sie nicht mehr vollenden. Während der Dreharbeiten zu “Letzte Wahl“, einer Dokumentation des Wahlkampfes, wird sie verhaftet, als sie vor einem Wahllokal eine Schlägerei aufnimmt. Die Polizei vernichtet einen Teil des gedrehten Materials, Ella Bergmann-Michel kommt nach langem Verhör wieder frei. Sie erhält, ebenso wie ihr Mann Robert, Arbeitsverbot und gibt das Frankfurter Atelier auf. Beide wenden sich fortan der Landwirtschaft zu: Robert Michel baut eine Fischzucht auf, Ella Bergmann-Michel widmet sich der Kleintierzucht. 

1937-1939 
Heimlich arbeitet sie weiter: Bleistift- und Farbstiftzeichnungen zu alltäglichen Themen wie Fischerei und Tierzucht sind überliefert. Einige Wochen im Jahr arbeitet sie in einem Londoner Atelier bei Freunden. 

1939 
Sie beginnt ein Kriegstagebuch “Briefe in die Nacht“, das sie bis 1946 führt. In den “Maskenbildern“, die ein Gefühl von Verzweiflung und Entsetzten vermitteln verarbeitet sie die Kriegseindrücke. 

1941 
Der Sohn Hans wird als Soldat verwundet, sie steht mit ihm in Briefkontakt. 

1942
Tod ihres Vaters. 

1945 
Kurz vor Kriegsende werden bei einem Bombenangriff auf Paderborn alle im elterlichen Haus befindlichen Werke von Robert und Ella Bergmann-Michel zerstört. 

1949 
In Frankfurt/Main wird das “Film-Studio“ gegründet und von Ella Bergmann-Michel geleitet.

Ausstellungsbeteiligung bei der “Société Anonyme“ in den USA. 

1950 
Sie organisiert für die Amerika-Häuser in Frankfurt, Heidelberg und Marburg die Vortragsreihe “50 Jahre internationaler Film“, hält Vorträge zu Themen wie “Der Blaue Reiter“, “Dadaismus“, “Bauhaus“.

Im August wird das “Film-Studio“ in “Film-Club Frankfurt/M“ umbenannt. Sie bestreitet viele Filmabende mit Einführungen und Vorträgen. 

1952 
Nach und nach leben die Vorkriegskontakte wieder auf, wie zum Beispiel zu Richard Scheibe, Mart Stam, Johannes Molzahn, Willi Baumeister; Ilse Bing, 1941 nach NewYork emigriert, kommt zu Besuch. 

1954 
Ein Artikel der Kunsthistorikerin Herta Wescher über die Michels in der französischen Zeitschrift “Art d’aujourd’hui“ trägt zur Wiederentdeckung bei. 

1960er Jahre 
Ella Bergmann-Michel kommt zur Abstraktion zurück. Fragmente von Linolschnitten und gerissenem, koloriertem Japanpapier werden zu gestisch bewegten Collagen. Es entstehen die “Sphärenbilder“, streng geometrische Fadencollagen, die Lichteffekten und Raumklängen Ausdruck geben.

1963
“Pioniere der Bildcollage“, Ella Bergmann-Michel und Robert Michel, Ausstellung Schloß Morsbroich, Leverkusen.
Von nun an zahlreiche Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen. 

1964
Sie beginnt im September ein zweites Tagebuch, das sie bis 1967 führt. 

1965 
Vortrag in der Galerie Dorothea Loehr in Frankfurt/Main “Der Geist der 20er Jahre in Frankreich“ (ein ähnlicher Text erscheint 1967 in der Zeitschrift “Egoist“). 

1971
Ella Bergmann-Michel stirbt am 8. August in Eppenheim. 

1990
Das Sprengel Museum in Hannover erhält den künstlerischen und schriftlichen Nachlass von Ella Bergmann-Michel. Ausstellung im Sprengel Museum. 

2005 
Das Folkwang Museum Essen zeigt die Ausstellung „Ella Bergmann-Michel – Fotografien und Filme“
vom 2.Juli – 25.September. Anschließend ist die Ausstellung im Historischen Museum in Frankfurt/Main. 

2006 
Anfang 2006 ist die Ausstellung im Sprengel Museum in Hannover zu sehen

Vom 21. September bis 19. November
zeigt DAS VERBORGENE MUSEUM in Berlin „Ella Bergmann-Michel – Fotografien und Filme“.

In Zusammenarbeit mit dem Arsenal Kino Berlin
sind die Filme von Ella Bergmann-Michel im Abendprogramm am 20. November zu sehen
mit dem Filmportrait „Mein Herz schlägt blau“ in Anwesenheit der Filmemacherin Jutta Hercher.   

Publikation A-E


Eröffnung
Mittwoch | 20.September 2006 | 19 Uhr

Es sprechen
Elisabeth Moortgat,
Das Verborgene Museum

Anneli Duscha,
Kuratorin der Ausstellung

Laufzeit
21. September 2006 - 19 November 2006

Öffnungszeiten
Do - Fr 15 - 19 h | Sa - So 12 - 16 h

Veranstaltungen 
FESTABEND zum 111. Geburtstag der Künstlerin
Freitag 20. Oktober 19:30

FILMABEND | ELLA BERGMANN-MICHEL
In Zusammenarbeit mit dem Kino Arsena
Potsdamer Str. 2 | Potsdamer Platz | 10785 Berlin 
Montag 20. November 2006 | 19.30 h 

1. Wo die alten Leute wohnen, 1931, 12:56 Min.,
    35mm
2. Erwerbslose kochen für Erwerbslose, 1932,
    09:24 Min., 35mm
3. Fliegende Händler, 1932, 21:14 Min., 35mm
4. Fischfang in der Rhön, 1932, 10 Min., 35mm
5. Letzte Wahl, 1932/33, 13:10 Min., 35mm 

Regie-Kamera-Schnitt: Ella Bergmann-Michel

Die Filmemacherin Jutta Hercher führt in die Filme von Ella Bergmann-Michel ein und stellt ihr
Filmportrait ("Mein Herz schlägt blau", 1989,
30 Min.) über die Künstlerin vor.

Jutta Hercher und Sünke Michel, Künstlerin und Schwiegertochter von Ella Bergmann-Michel
sind zum anschließenden Gespräch anwesend. 

 

EINLADUNGSKARTE | zur Ausstellung  

PUBLIKATION | KatalogBuch zur Ausstellung
Anneli Duscha, Ella Bergmann-Michel
Fotografien und Filme 1927-1935,
Reihe Beruf: Fotografin 
Hrsg.: Ute Eskildsen, Museum Folkwang Essen,
88 S. s/w Aufnahmen,
Göttingen 2005    


STANDORT > ADRESSE  

Der Verein DAS VERBORGENE MUSEUM | Dokumentation der Kunst von Frauen eV
hat seine Tätigkeit seit dem 1. Januar 2022 eingestellt. 
mehr erfahren Sie hier


AKTUELLE Rufnummer
+49 (0) 30 861 34 64


MAIL>ADRESSE | weiterhin aktuell
 

 
STADTPLAN
 

DAS VERBORGENE MUSEUM
zeigt in Zusammenarbeit mit dem Museum Folkwang Essen in der Ausstellung
90 Fotografien von Ella Bergmann-Michel

Zur Ausstellung liegt die Publikation vor: 
Anneli Duscha, Ella Bergmann-Michel,
Fotografien und Filme 1927-1935, 
Reihe Beruf: Fotografin 
Hrsg.: Ute Eskildsen, Museum Folkwang Essen,
88 S. s/w Aufnahmen, Göttingen 2005  
 

Unterstützt von:
Im Rahmen Europäischer Monat der Fotografie 
Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur | Künstlerinnenprogramm