22. January 1997 - 22. March 1997

LOTTE JACOBI

Atelier Lotte Jacobi | Berlin . New York

Als Repräsentantin der Neuen Fotografie in den 1920er-Jahren gehört Lotte Jacobi heute mit ihrem Porträtwerk zu den weltbekannten Fotografinnen und Fotografen. 1896 im westpreußischen Thorn (Torun) geboren, ist sie 1990 mit 93 Jahren in Concord, New Hampshire, in den USA gestorben.

1920 zieht Lotte Jacobi  – inzwischen  verheiratet und Mutter eines Sohnes – nach Berlin, wo wenig später auch ihre Eltern eintreffen. Sie eröffnen ein Fotoatelier, ein klassisches Porträtatelier für jedermann in der Joachimsthalerstraße 5 mitten im Berliner Neuen Westen, in der Kurfürstendammgegend, wo die Künstleravantgarde zu Hause war.

1927 übernimmt Lotte Jacobi das väterliche Atelier, nachdem sie an der Staatlichen Höheren Fachschule für Phototechnik in München eine zweijährige Ausbildung zur Fotografin absolviert hatte. Es war die Zeit, in der die Illustrierten und Magazine der großen Berliner Verlage wie Ullstein, Mosse und Scherl den Fotografinnen und Fotografen ein umfangreiches neues Tätigkeitsfeld eröffneten: die Pressefotografie mit Reportagen aus aller Welt, mit Mode- und Architekturaufnahmen, Interieurs und Porträts von Persönlichkeiten aus Tanz, Theater, Literatur, Bildender Kunst, Wissenschaft und Politik, worauf sich Lotte Jacobi spezialisiert hat.

In Lotte Jacobis Porträtwerk zu blättern heißt die künstlerische und politische Avantgarde der 1920er- und frühen 1930er-Jahre Revue passieren lassen. Es ist das Berlin der gerne verklärend als golden bezeichneten Zwanziger Jahre, in dem ihre großen Porträts entstanden sind: Lotte Lenya, Käthe Kollwitz, Klaus und Erika Mann, Carl Zuckmayer, Karl Valentin und Lisl Karlstadt, Lil Dagover, Peter Lorre und viele andere mehr.

Besonders interessiert war sie am politischen Theater und geradezu passioniert verfolgte sie den modernen Ausdruckstanz von Claire Bauroff und Harald Kreutzberg oder die expressionistisch-grotesken Darbietungen von Valeska Gert.

Eine andere Seite ihres Interesses überliefern die Aufnahmen aus Moskau und den orientalischen Sowjetrepubliken Tadschikistan und Usbekistan von 1932/1933 - Zeugnisse ihrer Sympathie für die Menschen in der nach-revolutionären Sowjetunion zwischen islamisch-orientalischen Kultur und den neuen sozialistischen Verhältnissen.

Als Jüdin verlässt Lotte Jacobi 1935 unter Zurücklassen des überwiegenden Teils ihrer Fotografien zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Sohn Deutschland und versucht in New York eine neue Existenz aufzubauen. Die Anpassung an den American Way of Life fällt ihr nicht schwer, aber an den Erfolg des renommierten Ateliers Jacobi in Berlin kann sie auch mit so exponierten Portraits wie denen von Albert Einstein nicht mehr anknüpfen.

Die Konkurrenz und der gänzlich andere Geschmack der Illustrierten, schließlich die erschwerten Verhältnisse für die Emigranten während  des Zweiten Weltkrieges regten Lotte Jacobi an, sich auf dem Gebiet der kameralosen Fotografie zu versuchen. Obsessiv arbeitete sie in den 1940er und 1950er Jahren an ihren “photogenics“, die in den USA im Kontext der modernen abstrakten Kunst besondere Berücksichtigung gefunden haben.

1955 verlässt Lotte Jacobi New York und zieht sich wie viele Künstler aufs Land in das neuenglische New Hampshire zurück. Ende des Jahrzehnts wird sie durch eine umfassende Retrospektive ihrer Fotografien, die durch Museen in verschiedenen Staaten wandert, in den USA erstmals bekannt.

Ihre aktive politische Arbeit in der Demokratischen Partei drängt in den 1970er-Jahren das Fotografieren in den Hintergrund. Öffentlich tritt sie gegen den Vietnam-Krieg auf und demonstriert gegen Atomkraft.

In Deutschland erfährt sie 1973 Anerkennung durch eine große Retrospektive im Museum Folkwang Essen und durch die Verleihung des Dr. Erich-Salomon-Preises 1983 in Berlin.

 

 

 

 

Nachtrag : Zum Einsteinjahr 2005

ALBERT EINSTEIN & seine Photographin


Seit 1920 hatte sich Einstein im Atelier Jacobi in der Berliner Joachimsthalerstraße photographieren lassen: Von Sigismund Jacobi, dem Vater, von der Schwester Ruth Jacobi und ab 1927 dann von Lotte Jacobi. Einstein schätzte Lotte Jacobi als Photographin besonders, weil er sich für ihre Aufnahmen nicht verstellen oder verkleiden mußte; er fühlte sich in keiner Hinsicht eingeschränkt, eher amüsiert, wenn ihm die Photographin mit der Kamera auf den Fersen war.

Innerhalb der Einstein-Serie für "Life" 1938 ist nun die Aufnahme entstanden, die heute zu den bekanntesten der Photographin weltweit gehört, die aber - wie die ganze Serie - niemals im dem amerikanischen Magazin veröffentlicht wurde: »Einstein in der Lederjacke« Immerhin hätte eine Veröffentlichung in "Life" für die Photographin damals vielleicht einen Ausweg aus der existentiellen Misere als Emigrantin bedeuten können. Doch Haltung und Kleidung waren den Redakteuren damals noch zu unkonventionell.

Als sich Albert Einstein 1938 in New York gegenüber dem Magazin "Life" zu einer Photoserie bereit erklärte, stellte er allerdings eine Bedingung: Die Aufnahmen dürften nur von »Miss Jacobi« gemacht werden. Albert Einstein und Lotte Jacobi kannten sich schon von Portraitsitzungen aus Berlin und Caputh in den zwanziger Jahren - eine Verbindung, die über die Jahre der Emigration andauerte und in den USA fortgeführt wurde.

Einstein in der Lederjacke wurde erstmals 1942 auf Initiative von Edward Steichen in der Zeitschrift U.S. Camera veröffentlicht. Neben einer Serie 1937 im sommerlichen Huntington, Long Island, beim Segeln zusammen mit seiner Biographin Antonia Vallentin, entstand im Auftrag der New York Times 1938 eine Serie mit Albert Einstein im Hause von Thomas Mann in Princeton, die zeigt, wie Lotte Jacobi ihre photographische Arbeit mit ihrem politischen Engagement zu verbinden verstand.

Jacobi übergab Einstein die Note einer Emigrantenorganisation gegen die geplante Teilnahme des nationalsozialistischen Deutschlands an der Weltausstellung in New  York. Das Gespräch darüber im Hause Mann, an dem von Seiten der  Organisation Karl August Wittfogel teilnahm, führte zu heftigsten politischen Auseinandersetzungen - unter anderem über so brisante Fragen wie die nach ihrer Herkunft zu unterscheidenden Juden in der Welt und nach deren kommunistischer Tätigkeit. Offenbar war es die Folge der angespannten Atmosphäre, daß bei dieser Gelegenheit nur vier Aufnahmen entstanden sind.

Aus Anlaß des 100. Geburtstags von Einstein 1979 gab Lotte Jacobi ein Portfolio "Albert Einstein" mit 25 ihrer Aufnahmen aus den Jahren 1927 bis 1938 heraus. Sechs Jahre später erscheint ein Kalender für das Jahr 1985 in den USA mit Jacobis Einstein-Photographien.

Lotte Jacobi photographierte Albert Einstein gern, sah sie in ihm den in vielerlei Hinsicht Gleichgesinnten, mit dem am Rande der Phototermine immer auch Gespräche statt fanden. Eine ausgeprägte Abneigung gegen gesellschaftliche Konventionen und der Wunsch nach einer von Humanität getragenen Gesellschaft war beiden eigen, wie Einstein verstand sich auch Lotte Jacobi als Weltbürger.

Marion Beckers

Biografie

ERÖFFNUNG

Mittwoch 22. Januar 1997 | 19.00 Uhr

Es sprechen

Dr. Christine Bergmann
Senatorin für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen

Elisabeth Moortgat
Das Verborgene Museum
"Ein Blick in Leben und Werk der Photographin"

Anschließend

Evelin Förster
liest Mascha Kaleko
"Im Gewühl der Großstadtstraßen"
Gedichte aus Berlin und New York
begleitet von Detlef Bensmann
auf dem Saxophon
 

LAUFZEIT

23. Januar - 23. März 1997

ÖFFNUNGSZEITEN

Donnertag, Freitag 15 - 19 Uhr
Samstag, Sonntag 12 - 16 Uhr

ADRESSE

DAS VERBORGENE MUSEUM
Schlüterstrasse 70
10625 Berlin-Charlottenburg

verkehrsanbindungen

SBahn, Savignyplatz
UBahn, Ernst-Reuter-Platz,
Bus, Schlüterstrasse

STADTPLAN

siehe Kontakt

 

TELEFON

+49 (0) 30 313 36 56

MAILADRESSE


 

Einladungskarte  zur Eröffnung

 

PUBLIKATION
Atelier Lotte Jacobi
Berlin . New York
Hrsg. Das Verborgene Museum
Berlin 1997

Weitere Stationen

WanderAusstellung

April - Mai 1997
Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen

Juni - Juli 1997
Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg

Juni - Juli 1998  
Galerie im Museum Bürgerhaus, Neunkirchen

November - Dezember 1998
Fernuniversität, Hagen (Westf.)

November 1999
Galerie drei, Dresden

März - April 2000   
Ungarisches Fotomuseum, Kecskemét, Ungarn

November - Dezember 2000
Volkshochschule, Osnabrück 

 

 

PUBLIKATION
Lotte Jacobi Rußland 1932 / 33
Moskau . Tadschikistan . Usbekistan
Fototaschenbuch 14, Nishen
Hrsg. Marion Beckers & Elisabeth Moortgat,
MitTexten von Egon Erwin Kisch

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