30. October 2008 - 08. February 2009

THEA STERNHEIM

PORTRAITFOTOGRAFIEN

Illustrationen eines Tagebuchs 

Die Amateurfotografin, Schriftstellerin und Kunstsammlerin Thea Sternheim (1883-1971) machte zeitlebens von der Familie, von den Freunden und bekannten Schriftstellern, Dichterinnen und Künstlern vorwiegend Portraitaufnahmen. Mit diesen persönlichen Erinnerungsstücken umgibt sie sich – seien sie gerahmt an der Wand, aufgestellt im Regal, in Foto-Mappen und Alben eingeheftet oder als Illustrationen ihren Tagebuchaufzeichnungen zugeordnet. 

Thea Sternheim wuchs in einer großbürgerlichen Kaufmannsfamilie in Neuss bei Düsseldorf auf und schon in jungen Jahren galt ihre Begeisterung der Literatur und der alten und zeitgenössischen Malerei. Durch Carl Sternheim, ihren zweiten Ehemann, den sie 1903 kennen lernte, machte sie Bekanntschaft mit Literaten, Künstlerinnen und Künstlern. Nach dem Tod ihres Vaters, Georg Bauer, des Mitinhabers der “Schrauben- und Mutternfabrik Bauer und Schauerte“ erbte sie ein Vermögen, mit dem sie repräsentative Familiensitze erwarb und eine Kunstsammlung anlegte, darunter Gemälde von van Gogh, Renoir, Gauguin, Matisse, so wie Bilder der befreundeten Künstler Ernesto de Fiori und Frans Masereel.  

Seit ca. 1905 hat sie eine Fotokamera; sie richtet sich eine Dunkelkammer ein, lässt sich 1912 von einem Herrn Wacker die technischen Feinheiten des Fotografierens erklären und ersetzt ihre Schlitzverschlusskamera durch einen handlichen Goerz-Apparat (eventuell die 1910 auf den Markt gekommene Tenax Camera 4,5x6cm).  

Thea Sternheim hat ein ausgeprägtes Bedürfnis, ihre Erlebnisse, die politischen Verhältnisse, Gelesenes und Gehörtes sowie die Entwicklung ihrer drei Kinder und die Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen aus Kunst und Kultur schriftlich und fotografisch festzuhalten. Das Fotografieren gehörte für Thea Sternheim offenbar zu den selbstverständlichen Tätigkeiten des Alltags; jedenfalls hat sie es in ihren ausführlichen Lebensaufzeichnungen nicht der besonderen Erwähnung für Wert befunden. Ihre Portraitaufnahmen illustrieren die ausführlichen Tagebücher, die sie 1903 begonnen hat und von 1909 bis 1971 kontinuierlich geführt hat. Es sind visuelle Zeugnisse einer untergegangenen kosmopolitischen Gesellschaftsschicht aus Kunst und Kultur des 20. Jahrhunderts.  

Thea Sternheim erfasst ihre Protagonisten aus nächster Nähe, führt sie uns privat vor und ist doch ganz dem zeitgebundenen fotografischen Blick verhaftet. Mit ihren Augen sehen wir ihre Freunde, Verwandten und Bekannten ganz neu: Annette Kolb, Franz Pfemfert, Frans Masereel, Klaus Mann, Erika Mann, René Crevel, Max Ernst, Charlotte Wolff – und den scheuen Dichter André Gide, den sie in Berlin, in Karlsbad, am Thuner See in der Schweiz in seriellen Bildfolgen festgehalten hat. 

Thea Sternheims Portraits sind Teil der privaten Fotografie-, zugleich Quelle der Alltagsgeschichte. Sie sind Zeugnisse einer Liebhaberei, die vor dem professionellen fotografischen Ergebnis die Erinnerung an die eigene Lebensgeschichte im Auge hatte. „Die Herstellung der Aufnahmen wie das Betrachten der Abzüge erfolgt häufig in Gesellschaft und formt in gewissem Maße die Beziehungen der Personen untereinander.“ (Timm Starl) Die Vergrößerungen der Portraits, auf farbigen Fotokarton aufgebracht, stellt Sternheim in Foto-Mappen zusammen; sie legt Alben zum Einkleben der Fotos im Format 4,5 x 6 cm und 10 x 6,8 cm an, beschriftet sie mit den Angaben zu den Dargestellten, zu Ort und Zeit und macht sie auch ihren Kindern zum Geschenk.  

Um 1923, sie wohnt in dieser Zeit mit der Familie im “Waldhof“ bei Dresden, weist sie den Freund Franz Pfemfert in die Fotografie ein. Der in Berlin ansässige Pfemfert, der seit 1911 die links-politische Zeitschrift  “Die Aktion“ – zudem ein Forum des Expressionismus -  herausgibt, eröffnet 1927 in seiner Berliner Wohnung eine “Werkstatt für Porträtphotographie“ und bestreitet teilweise seinen Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Fotografien. Als Thea Sternheim 1927 das Atelier der damals gefragten Gesellschaftsphotographin Frieda Riess besucht, wird sie von ihr als “Orakel der Photografie“ begrüßt.

Thea Sternheims fotografischer Nachlass wird zum Teil im Deutschen Literaturarchiv Marbach bewahrt, zum anderen Teil in Schweizer Privatbesitz. Platten und Film-Negative sind nicht erhalten. Von ihr selbst im Tagebuch erwähnte, aber nicht eingeklebte Fotografien wie beispielsweise eine Serie von Arbeitern in der Papier-Fabrik in Rouen (September 1911) sowie Aufnahmen von “Händen“ in Berlin (ca. 1931/1932) sind bislang nicht wieder aufgetaucht.

DAS VERBORGENE MUSEUM zeigt zum ersten Mal eine Auswahl der Fotografien von Thea Sternheim.

 

Biografie
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Eröffnung

Mittwoch | 29. Oktober 2008 | 19 Uhr

Es sprechen

Elisabeth Moortgat, Das Verborgene Museum
Einführung

Laufzeit

30. Oktober 2008 – 8. Februar 2009
geschl. 18.12.2008 - 04.01.2009

Bücherbazar

Dezember 2008

Öffnungszeiten

Donnerstag, Freitag 15 - 19 Uhr
Samstag, Sonntag 12 - 16 Uhr

STANDORT > ADRESSE 
Der Verein DAS VERBORGENE MUSEUM | Dokumentation der Kunst von Frauen eV
hat seine Tätigkeit seit dem 1. Januar 2022 eingestellt. Lesen Sie bitte in der Hauptspalte links weiter.

AKTUELLE Rufnummer
+49 (0) 30 861 34 64

 

 

Flyer  zur Ausstellung

Publikation
THEA STERNHEIM und ihre Welt –
„Keiner wage, mir zu sagen: Du sollst!“,
Thomas Ehrsam, Regula Wyss (Hg.), mit Texten von Regula Wyss, Thomas Ehrsam, Dorothea Zwirner, Marion Beckers und Elisabeth Moortgat („Thea Sternheims fotografischer Kosmos – ein Fragment“),
214 S., 180 Abb., Wallstein 2015[

 

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STADTPLAN
siehe Kontakt 

 

Eine Ausstellung im Rahmen des 3. Europäischen
Monats der Fotografie

Mit Unterstützung: Dr. Thomas Ehrsam, Deutsches Literaturarchiv Marbach (DLA)
© Heinrich Enrique Beck-Stiftung, Basel

Gefördert von der Senatskanzlei Kulturelle Angelegenheiten,
Berlin: Künstlerinnenprogramm

 

 

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